Dies ist autorisierte deutsche Übersetzung des Artikels zum obenaufgeführten Thema, das vom hervorragenden russischen Ökonom, Mikhail Gennadievich Delyagin, am 19.03.2009 im russisch-sprechenden Internet unter der folgenden URL-Adresse publiziert wurde:
http://www.ej.ru/?a=note&id=8902
Der Übersetzungsautor ist Jewgeni Starikow, ex-sowjetischer Biophysiker, der auf seinem Gebiet seit mehr als 20 Jahren in Deutschland und anderen Ländern tätig war. Beim Übersetzen wurde das ursprüngliche Schreiben um ein Paar wesensverwandten Gedanken erweitert, die auf alltäglichen Erfahrungen als akademischer Forscher beruhen. Das vorliegende Artikel befaßt sich mit der durchaus kritischen und zweifelhaften Situation in der modernen offiziellen Wissenschaft, versucht die fundamentalen Gründe für diese Situation bloßzulegen und lädt all diejenigen ein, die sich engagiert und verpflichtet fühlen, darüber nachzudenken, wie man den drohenden heftigen Zusammenbruch der Wissenschaft und Forschung auf der ganzen Welt vermeiden könnte.
Jahrhunderte lang (zumindestens seit der Renaissance-Ära) war der Beruf von “Wissensbegierigen”, sprich: denjenigen, die neue Erkenntnisse über unsere Welt zu Tage brachten, vielleicht nicht “sine qua non”, aber doch einer der wichtigsten und zuverläßigsten Wege, das soziale Ansehen zu erreichen.
Erstaunlicherweise scheinen wir überhaupt nicht bemerkt zu haben, daß schon seit ungefähr zwei Jahrzehnten die Globalisierung diese Regel aufgehoben hat. Folglich wird etwaige Möglichkeit den entsprechenden sozialen Status zu erreichen für diejenigen, die sich in der Tat mit Wissenschaft und Forschung beschäftigen, sehr beschränkt (je nach Organisationsniveau des entsprechenden Landes, natürlich).
Es ist nunmehr eine recht knifflige Aufgabe für Forscher, sich bis zum Niveau von Andrei Dmitrievich Sakharov oder Lev Davidovich Landau zu erheben, deren Meinung sogar von sowjetischen kommunistischen Bonzen respektiert wurde. Genauso schwierig wäre für sie jemand wie Alexander Graham Bell oder Thomas Alva Edison zu werden, die herausragenden Symbole damaliger Zeit. Die menschlichen Aktivitäten sind heutzutage dahingehend spezialisiert, daß das Erlangen des sozialen Erfolgs enorme Anstrengungen erfordert, Unmenge Zeit in Anspruch nimmt und allmählich zu einer gesonderten, selbstgenügenden Tätigkeits-Abart wird, die praktisch nicht mehr mit wirklichen Forschungsaktivitäten vereinbar ist.
Die fundamentale Ursache dafür liegt in der raschen Intensivierung der Kommunikationen wegen der Globalisierung. Demzufolge begeben Sie sich als Wissenschaftler entweder auf die Wahrheitssuche oder auf das pure Verbrauchen des von jemandem anderen gewonnenen Wissens um das Letztere in die materiellen bzw. sozialen Wertsachen umzuwandeln. Diese zwei Aktivitätsrichtungen unterscheiden sich voneinander, und zwar gewaltig – ja sie beide in der Praxis zu kombinieren fällt wirklich schwer: einige seltene Beispiele dafür bestätigen lediglich die Hauptregel.
Im Endeffekt schleicht sich da eine Absonderungsmodalität ein: manche Kollegen sind mit der tatsächlichen Forschung total beschäftigt, während die anderen nur auf ihren eigenen sozialen Erfolg pochen. Heutzutage bräuchte man für das Letztere sogar nicht das primitive, parasitäre Verbrauchen von dem von anderen gewonnenen Wissen, sondern ausschließlich die richtige soziale Kommunikation, sprich: die Fähigkeit, passende und zweckmäßig ausgewählte Gesellschaftskreise zu infiltrieren. Diese ständige, parasitenmäßige “Infiltrationsbereitschaft” hat seriöse Folgen für diejenigen, die ihr Leben freiwillig für solcherlei Aktivitäten verbrauchen möchten: deren Persönlichkeit verliert wichtige menschliche Qualitäten, die innewohnende menschliche Allgemeingültigkeit. Die ganze Persönlichkeitsstruktur von den “Infiltranten” ändert sich, und zwar sichtlich – weiter werden wir noch darüber diskutieren, wie ekelhaft die Formen sein können, die derartige Persönlichkeitstransformation annimmt und herbeiführt.
Hiermit möchten wir den Leser darauf aufmerksam machen, daß das Obengesagte die ganze Welt anbelangt. Wir werden nachfolgend doch Russland im Auge behalten, weil die russische Gesellschaft all die weltweiten Entwicklungsprozesse stets in einer äußerst akuten Form widerspiegelt. Wenn die ganze Welt lächelt, lachen wir, die Russen, höchstwahrscheinlich bis zum Umfallen. Wo sich die Welt nur erkältet, husten wir, die Russen, höchstwahrscheinlich Blut.
Eingeengtes Sichtfeld und Ideologisierung
Wir gehen davon aus, daß die Eliten in gutentwickelten Ländern im Großen und Ganzen an eine Art des Säufersyndroms “Tunnelblick” leiden: Wenn jemand etwa “blunzenfett” ist, nimmt er/sie nur einen kleinen Teil der Umgebung wahr, ohne all das Randständige zu bemerken. Außerdem werden Besoffene häufig überreaktiv – als Antwort auf oberflächliches, unschuldiges Anrühren sogar.
Das ergibt sich nicht nur wegen der Krise der jeweiligen administrativen Kreise bzw des demokratischen (im westlichen Sinne des Wortes) Systems als Ganzes, sondern in der ersten Linie durch wesentliche Verdrängung der eigentlichen Wissenschaft und Forschung in der gegenwärtigen Gesellschaft.
Die Wissensgewinnung/Wissensmanagement wurde an sich derart kompliziert und spezialisiert, daß sogar deren primitivsten Formen Riesenarbeitsaufwand mehrerer Kollegen erfordern. Dementsprechend werden die Wissenschaftler heutzutage immer vor unumgänglicher Wahl gestellt: entweder sie verbringen ihre Zeit bei der Jagd nachm sozialen Erfolg, oder sie sind der wahren Forschung hingegeben. Dies hat eine spürbare Differenzierung verursacht zwischen den wissenschaftlichen Administratoren, die die “Carte Blanche” zum Schalten und Walten in Sachen finanzieller Mittel und Forschungsprioritäten haben, und den eigentlichen Forschern, die unmittelbar an den konkreten Forschungsprojekten arbeiten.
So kommt es dazu, daß die wahre Forschungsarbeit, der kognitive Prozeß an sich, immer sozial unbedeutender wird, wobei Entscheidungsfindungen, Beschlußfassungen jedweder Art – und unter ihnen die lebenswichtige und zukunftsträchtige Entscheidungsfähigkeit auf dem Staatsniveau – ziemlich häufig realitätsfremd sind und von Emotionen, Vorurteilen usw usf angeleitet werden.
Nicht nur die Administrationskrise, sondern auch die Kognitionskrise
Auf der ganzen Welt ist die offizielle Wissenschaft zu einem komplizierten administrativen Organismus oder, man könnte sogar sagen, zu einem neuen Gesellschaftsgebilde geworden, das nicht viel weniger wichtig für die nationale Selbstidentifizierung wäre, als, zum Beispiel, die soziale Formation von französischen Bauern in den fünfzigern bis siebzigern Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts, aber auch nicht viel nützlicher. Oberflächlich zeigt es sich als das System von Forschungsbeihilfen (grants, die so gut wie einzige finanzielle Quelle für etwaige Forschungsprojekte), als allmähliches Ausklingen der Grundlagenforschung und als diverse Forschungsschwindel (die “Torsionsfelder”, “globale Erwärmung” usw usf).
Betrachtet man aber das obenerwähnte Gesellschaftsgebilde von mittendrin, so wäre es als einer Art “unsichtbare Barrikade” zu beschreiben. Einerseits treten die “Gutsherren”, “Plantagebesitzer”, “Latifundienoberhäupter”, die es aber vorziehen, als “Professoren” bzw “wissenschaftliche Gruppenleiter” angesprochen zu werden. Andererseits gibt es jede Menge freiwilliger Plantagensklaven (Knechte/Arbeitsesel/Arbeitstiere), die offiziell als “Doktoranden” bzw “Postdoktoranden” bezeichnet werden. Diese Sklaven sind verblüffenderweise freiwillig, weil niemand sie mit Waffengewalt zwingt, für den Plantagebesitzer zu schuften (solche Umstände hat aber John Locke bereits vor ca. 400 Jahren heftig kritisiert). Die Plantagebesitzer betrachten deren Knechte als eine Art “Schachfiguren”, die sich einer bestimmten Anzahl primitiver Spielregeln fügen müssen. Je nach der Persönlichkeit des Gutsherrn sieht das “Forschungslabor” der “Plantagensklaverei” mehr oder minder ähnlich aus, aber die Grundregeln bleiben dieselben in allen Ecken und Enden der Welt.
Manchmal erreicht die “offizielle Wissenschaft” äußerst widerliche Formen, die auf den ersten Blick mit dem demokratischen Staatsbildnis nichts zu tun haben. Ein kraßes Beispiel wäre eine Plantage in Deutschland, wo Chinesen, Thais und Russisch-sprechende die überwiegende Mehrheit der dortigen Sklaven ausmachen. Die Macht des dortigen Gutsherrn beruht auf einer ganz einfachen Tatsache: Die Sklaven wollen nicht zurück in ihre Ursprungsländer, aber sie dürfen nur befristete Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse bekommen. Freilich werden deren Erlaubnisse nur dann verlängert, wenn der offizielle Brief vom Gutsherrn vorliegt. Ein anderes Beispiel derselben Art wäre eine italienische Plantage, wo die russisch-sprechenden Knechte nebst ihrer Familien auf einer Insel eingesperrt werden. Es gibt dort einen russischen Aufseher, der Italienisch sprechen kann und für die Verteilung der “Aufwandsentschädigungen” (klägliche Almosen ohne soziale Sicherheit) unter den Arbeitseseln verantwortlich ist. Wiederum sind die Sklaven in diesen beiden Fällen weder beschwindelt noch verleitet. Sie wissen wohl, daß sie Sklaven sind, und werden tagtäglich mehrmals pro Tag daran erinnert, weil die Haltung von den Gutsherren und deren Gehilfen diesen Sklaven gegenüber ganz unmißverständlich ist. Außerdem pflegen die Gutsherren normalerweise verzweigte Beziehungen zu den “unterentwickelten” Ländern, um immer neue Sklavenscharen herbeizugaukeln, damit die Plantage ständig unter Dampf bleibt.
Mittlerweile haben es diejenigen jungen gebürtigen USA-Amerikaner, Westeuropäer, Japaner usw., die die Forschung vorantreiben wollen, gar nicht viel leichter als die obenbeschriebenen Sklaven. Falls Sie nicht zum “engen Kreise” gehören, haben Sie so gut wie keine Chance ein richtiges Mitglied der “akademischen Gesellschaft” zu werden. Das ultimative Maximum, das Sie von denen bekommen, wäre eine befristete Stelle bestückt mit dem Hungerlohn (seien Sie glücklich, falls für Sie mindestens die Sozialabgaben entrichtet werden, alles könnte mal auch ganz anders ausfallen). Aber wehe dem, der wagt, um Gottes Willen, dem Plantagebesitzer, dem “Big Brother” zu widersprechen ! Dann laufen Sie Gefahr, Ihre ganze Existenz zu verlieren. Weil wenn Sie Sich für einen anderen Arbeitsplatz bewerben, müssen Sie Ihr Arbeitszeugnis, ausgehändigt von Ihrem vorherigen Arbeitsgeber, sprich: Ihrem Gutsherrn, vorzeigen. Das stimmt, daß das deutsche Gesetz, zum Beispiel, untersagt, ausdrücklich schlechte Arbeitszeugnisse auszuhändigen. Aber es gibt auch stillschweigende Vereinbarungen darüber, wie man das schlechte Arbeitszeugnis schreibt, ohne gegen das Gesetz zu verstoßen (man benutzt einfach keine Superlative für Sie, zum Beispiel). Zudem gibts Telephon, E-Mail, SMS und viele andere Wege für vertrauliche Kommunikationen zwischen den Arbeitgebern.
Eingedenk all der obigen Tatsachen stellt sich die Frage, was für eine moralische Atmosphäre herrscht in der Nähe von der unsichtbaren Barrikade ? Missgunst, Schadenfreude und Mobbing werden Sie dort umgeben und begleiten. Falls Sie eine junge Frau und dabei für die Forschung interessiert sind, könnten Sie mal auch praktische Erfahrungen dazu sammeln, was “das Recht der ersten Nacht” bedeutet. Das übliche administrative Herangehen der Plantagebesitzer ist so alt wie der Mensch selbst: “divide et impera”, was im Klartext bedeutet so wenig wie “jeder verpetzt jeden”. Nur so kann der Sklave mit dem Rest der Plantage vereinbar werden. Dazu kommen noch die befristeten Arbeitsverträge/Hungerlöhne der Sklaven, wodurch diese außerstande sind, ein vernünftiges Lebensniveau zu erreichen, eine eigene Familie zu gründen und zu unterhalten usw usf. Somit entarten sich die Plantagensklaven zu “Desperados”, “Soldateska”, “Mankurten”, die auf die Eitelkeiten des Gutsherrn völlig eingestellt sind. Die einzige vage Perspektive für den Sklaven wäre, eines Tages die unsichtbare Barrikade zu überwinden und selber ein Gutsherr werden. Aber so was können Sie ruhig vergessen, wenn Ihre Eltern/Verwandten keine Verbindung zur “akademischen Welt” haben oder nicht deren fester Bestandteil sind. Andernfalls heißen Sie willkommen – der Gutsherr wird für Sie eine Schar von Arbeitstieren zusammentrommeln, die Ihre Doktorarbeit machen und zusammenschreiben werden, und nach Erlangen Ihres Doktorgrades werden Sie als “assistant professor” sofort ins Ausland geschickt, bestenfalls sogar zu einer berühmten Uni, wie Harvard, Yale, Cambridge, Oxford usw usf. Und in Paar Jährchen konnen Sie Sich in Ihrem Ursprungsland wieder einfinden und dürfen ein eigenes Latifundium aufbauen. Aber falls Sie kraft Ihrer Herkunft zum Plantagensklaven bestimmt sind und zufälligerweise den “heiligen Gral” betreten haben – wird Sie das “göttliche Feuer” zu Asche verbrennen. Damit ist gemeint, daß die “Gutsherrenassoziation” eher eine brutale Racketeerbande (insbesondere wenn sie riechen, das ihre Interessen gefährdet sind), als eine normale Gesellschaft wäre …
Einige von Ihnen werden wahrscheinlich sagen, “Naja, aber die Forschung an sich fasziniert mich so sehr – vielleicht wäre ich sogar bereit, diesen schrecklichen Preis abzuzahlen, nur damit ich mich an einer spannenden Forschungsarbeit beteiligen kann”. Dann werfen wir die folgenden Fragen auf: Sind Sie sicher, daß diese “offiziellen Wissenschaftler” etwaige wichtige und wesentliche Forschungsarbeit betreiben ? Gibt es irgendwelche Ergebnisse von den obenbeschriebenen Plantagen, die der Rede wert wären ? Die Antworten sind eindeutig: NEIN und NEIN. Der einzige Nutznießer von der ganzen Plantage ist der entsprechende Gutsherr, dessen einzige Gewinn ist sein/ihr sozialer Erfolg, den er/sie mit niemand, nie und nimmer teilen wird. Daher gibts in solchen Plantagen keine systematische Forschung, kein scharfgeschnittenes Forschungsprogramm (gesucht wird nur nach Themen, die zur Zeit als “modisch” gelten und somit das Geld bringen – heute kommt Dieses, morgen vielleicht Jenes) und folglich keine sinnvollen und nützlichen Ergebnisse. Es werden lediglich die Werte einiger formeller Parameter hartnäckig gesteigert, und zwar: die Anzahl/die Gesamtsumme der Beihilfen die dem Gutsherrn zuteil geworden sind; die Anzahl der Publikationen in “renommierten” Zeitschriften (mit hohem “impact factor”); die Anzahl der Zitierungen (der sogenannte “h-Index des Wissenschaftlers”); die Anzahl der Einladungen zu “keynote”-Reden auf internationalen Konferenzen; die Anzahl der Mitgliedschaften in Beiräten der wissenschaftlichen Media; die Anzahl der verteidigten Doktorarbeiten angeleitet von diesem “Doktorvater” (anders gefragt: Wie groß ist Ihre “wissenschaftliche Gruppe” ? Oder lieber so: Wie viele Knechte unterhalten Sie auf Ihrer Plantage ?) … Alles kommt ja so ziemlich langweilig vor, nicht wahr ?
… Kurz und gut, eine letzte (rhetorische) Frage: Haben all diese Gutsherren den von ihnen so angestrebten sozialen Erfolg, den sie so herrlich genießen, wirklich verdient ??? …
Heutzutage gibt es hauptsächlich drei Länder, die Wissenschaft und Forschung schwepunktmäßig finanziell unterstützen, weil so was eine globale Prestigesache ist: USA, Japan und Deutschland (das vierte Land war mal die ehemalige UdSSR gewesen, die ihre prächtige Forschungslandschaft aber aus ganz anderen Gründen am Leben ließ). Jüngst haben sich auch China, Indien und Saudi-Arabien als die “Forschungsmäzene” erwiesen. Die benannten Länder spenden feierlich tonnenweise Geld für Wissenschaft und Forschung. Auch andere gutentwickelte Länder bleiben dabei nicht zurück, sie spenden auch Geld, aber nicht in demselben Ausmaß. Mittlerweile wäre das einzige spürbare Ergebnis von all diesem Geldanlagesturm, daß die obenbeschriebenen Plantagen ständig an ihrem Gewicht zunehmen. Sind solcherlei Investitionen wirklich eine gute Idee ? Steigert die Anzahl des Gutsherren im Lande die internationale Prestige dieses Landes ? Und was kann man mit der Plantagensklavenschar anfangen ? Praktisch all die wissenschaftlichen Beiräte auf der ganzen Welt, die das Monopol darauf besitzen, die Gelder und Themen für alle möglichen Forschungsprojekte zu lenken, sind von den Plantagenbesitzern sehr stark infiltriert. Die meisten “wissenschaftlichen Regierungsberater” auf der Welt sind ja dieselben Gutsherren. Aber die Letzteren sind in der Regel keine richtigen Experten auf den Gebieten, die sie angeblich vertreten – sie sind lediglich die “hausgemachten PR-Profis”, die ausschließlich ihren eigenen sozialen Erfolg und gar nichts anderes im Sinn haben. Wäre es verantwortungsvoll, solchen Leuten lebenswichtige Entscheidungsfindungsaufgaben anzuvertrauen ?
Betrachten wir diese ganze Situation, so kommt die einzige medizinische Analogie in den Sinn: Proliferation der Krebszellen. Leiden unsere Gesellschaften an so was wie “soziale Krebskrankheit” ? Wenn schon, wäre das eine Sackgasse oder gibt es doch etwaige Genesungswege ?
Der richtige Forschungsvorhaben erfordert freiwilliges Übereinkommen unter freien Personen, die gemeinsam ein aktuelles, interessantes und wichtiges Problem lösen möchten. Solche Leute sollten zusammenkommen und eine harmonische Gruppe bilden, die auf den wohlbekannten demokratischen Prinzipien beruht. Jeder ist frei, die Gruppe zu verlassen oder zu wechseln, sobald er/sie nicht mehr von der Bedeutung des ausgewählten Problems bzw von dem Durchsatz seiner/ihrer Kollegen überzeugt wäre. Niemand darf etwaige soziale Nachteile erfahren, falls er/sie seine/ihre ursprüngliche Gruppe plötzlich aus einem triftigen Grunde verläßt. Und hier werden Sie sagen – tja, dieses Bild kommt mir irgendwie allzu idealistisch vor, so was wäre ja schier unmöglich … Leider Gottes müssen wir Ihnen Recht geben ! Aber dann sollten wir all solch bizarren Sachen wie Grundlagenforschung einfach vergessen, nicht wahr ?
A propos wird die Grundlagenforschung nie wieder zu Kräften kommen, falls man diese nur einmal ertrinken läßt bzw vulgarisiert. Zum Beispiel erfuhr die von Hitler wegen ihrer Schwerfälligkeit und Unvorhersagbarkeit erdrosselte Grundlagenforschung keine mehr Wiedergeburt in Deutschland der Nachkriegszeit. Nach Ableben der wenigen übriggebliebenen Kollegen aus der alten Wissenschaftlergarde der UdSSR (diese sind mit banalen Forschungsadministratoren nicht zu verwechseln !), wird die russische Wissenschaft auch sehr schnell zugrunde gehen. Es bleiben danach nur die Grundlagenforschung in den USA und einige wissenschaftliche Schulen in Großbritannien (wenn überhaupt – bei exponentieller Entwicklung der obenbeschriebenen Plantagensklaverei !). Das ist sicherlich nicht genug für den richtigen Fortschritt der Menschheit. Auch die globalen Monopole, die sich bei weitem nicht immer für den technologischen Fortschritt stark machen, könnten im Prinzip sehr wohl zur Vernichtung der Grundlagenforschung beitragen.
Der Wissenschaftstandort Deutschland hat bei alledem eigene, sehr spezifische Probleme. Hierzulande gehören praktisch alle, die professionell mit Forschung und Bildung zu tun haben, zum Beamtentum, und so haben sie all ihre Lebensprobleme gelöst und ihre Zukunft gesichert – sie ähneln sich der Brahminenkasta in Indien. Nur diejenigen, die den Professortitel tragen, dürfen in Deutschland als Experten etwaiger Art (bis hin zu Regierungsexperten) agieren. Somit bilden insbesondere in Deutschland die Professoren – sprich: die Plantagenbesitzer – eine supermächtige Lobby, die fest entschlossen ist, für den Erhalt ihres sozialen Erfolgsstatus nun wirklich alles zu machen. Das jüngste kraße Beispiel dazu wäre die ganze Geschichte um das mehrmalige Umkrempeln des Hochschulrahmengesetzes in den Jahren 2002-2007, die hierzulande einen mächtigen Braindrain ausgelöst hat. All diese Machenschaften kamen (zumindestens chronologisch) als die Antwort von der Gutsherrenlobby auf die kühnen und “ketzerischen” Gedanken von Frau Bulmahn, der ehemaligen Bundesministerin für Bildung und Forschung, die im Grunde genommen vorgeschlagen hatte, diese absolute, erstickende Plantagenbesitzermacht nur ein wenig einzuschränken ... So dürfte man sich doch nicht wundern, daß die Grundlagenforschung in Deutschland nicht mehr so richtig funktioniert, trotz all dem “Geldregen”.
Die Krise in der Wissenschaft und Forschung kaschiert in der Tat eine schreckliche Tatsache: Das Erkenntnis an sich hat aufgehört, die Hauptproduktivkraft zu sein.
Das schockiert, aber so ist es, leider Gottes.
Die Ursache ist sehr einfach und zugleich fundamental: mit der Globalisierung has sich die Menschheit darauf konzentriert, eher sich selbst (ihr Bewußtsein in erster Linie), als die Umgebung zu ändern. Ausgerechnet dieser Aspekt kann das wahre historische Kennzeichen der Globalisierung sein – und bei weitem nicht die SMS-Mitteilungen oder Pornoseiten.
Je weniger unsere Welt zum Studienobjekt wird, desto mehr übernimmt das menschliche Bewußtsein diese Rolle. Dementsprechend befaßt sich die Industrie immer weniger mit der Produktion von Sachgütern (oder, als Übergangsstufe, Dienstleistungen) – dafür werden eher bestimmte, mehr oder weniger vorgezeichnete Zustände des menschlichen Bewußtseins produziert.
Um die Welt zu ändern (zusammen mit ihrer sozialen Komponente) soll man sie erst erkennen – und die Wissenschaft, die uns dabei immer sehr behilflich war, stellte eines der wichtigsten Instrumente der Menschheit dar.
Aber das, was heutzutage geändert wird, wäre nicht mehr die ganze Welt, sondern ihr relativ kleiner (und bei weitem nicht der universelle) Teil – der Mensch an sich. Darüber hinaus haben diese Änderungen nicht mit dem Mensch im Großen und Ganzen zu tun, sondern lediglich mit seinem Bewußtsein. Folglich wird eine der wichtigsten menschlichen Tätigkeitskategorien, die früher den Umgebungsstudien gewidmet war, von einer ziemlich kleinen Gruppe erobert, die nur das menschliche Bewußtsein und damit verbundene Aktivitäten studieren. Wegen der Spezifität des Themas (Das Studieninstrument wird nun zum Studienobjekt – das menschliche Bewußtsein) gibt es in dieser Gruppe nicht sehr viel Wissenschaftler: solche Leute sind meistenteils enge Praktiker, die lediglich auf die Lösung der bestimmten einzelnen Probleme aus sind.
Die lange Rede, der kurze Sinn – wir sind wahrscheinlich die Zeugen des Untergangs der wissenschaftlich-technischen Revolution, die in den fünfzigern Jahren unsere Welt radikal verändert hat, und dazu noch steiler Abbremsung des Fortschrittes menschlicher Fähigkeiten.
All das könnte im Prinzip als der Aufweis des kollektiven menschlichen Selbstschutzes gelten: die menschlichen Fähigkeiten zur Weltveränderung haben das entsprechende Ergründungsvermögen sehr weit überholt – so daß es vielleicht nun wirklich an der Zeit wäre, nur noch zu singen “have a break, have a Kit Kat”.
Ohne Zweifel wird die Menschheit ihre kognitive Instrumente irgendwann künftig noch wiederaufarbeiten. Aber wie es heute aussieht, scheint dies doch kein linearer, kein schmerzloser Prozeß zu werden, so daß wir schon einiges überstehen müssen, bevor sich die Tendenz so richtig entwickelt.
Obwohl die neuen Erkenntnistechnologien ihrerzeit die Gesamtsituation sicherlich verbessern werden, scheinen wir gegenwärtig ins neue Mittelalter, in die neue barbarische Ära zu steuern, wobei der soziale Erfolg – und somit die unlimative Machtlizenz – stets in die falschen Hände von Kleingeistern geraten, die jedwedes Wissen konsequent hintanstellen und verabsäumen.
http://www.ej.ru/?a=note&id=8902
Der Übersetzungsautor ist Jewgeni Starikow, ex-sowjetischer Biophysiker, der auf seinem Gebiet seit mehr als 20 Jahren in Deutschland und anderen Ländern tätig war. Beim Übersetzen wurde das ursprüngliche Schreiben um ein Paar wesensverwandten Gedanken erweitert, die auf alltäglichen Erfahrungen als akademischer Forscher beruhen. Das vorliegende Artikel befaßt sich mit der durchaus kritischen und zweifelhaften Situation in der modernen offiziellen Wissenschaft, versucht die fundamentalen Gründe für diese Situation bloßzulegen und lädt all diejenigen ein, die sich engagiert und verpflichtet fühlen, darüber nachzudenken, wie man den drohenden heftigen Zusammenbruch der Wissenschaft und Forschung auf der ganzen Welt vermeiden könnte.
Jahrhunderte lang (zumindestens seit der Renaissance-Ära) war der Beruf von “Wissensbegierigen”, sprich: denjenigen, die neue Erkenntnisse über unsere Welt zu Tage brachten, vielleicht nicht “sine qua non”, aber doch einer der wichtigsten und zuverläßigsten Wege, das soziale Ansehen zu erreichen.
Erstaunlicherweise scheinen wir überhaupt nicht bemerkt zu haben, daß schon seit ungefähr zwei Jahrzehnten die Globalisierung diese Regel aufgehoben hat. Folglich wird etwaige Möglichkeit den entsprechenden sozialen Status zu erreichen für diejenigen, die sich in der Tat mit Wissenschaft und Forschung beschäftigen, sehr beschränkt (je nach Organisationsniveau des entsprechenden Landes, natürlich).
Es ist nunmehr eine recht knifflige Aufgabe für Forscher, sich bis zum Niveau von Andrei Dmitrievich Sakharov oder Lev Davidovich Landau zu erheben, deren Meinung sogar von sowjetischen kommunistischen Bonzen respektiert wurde. Genauso schwierig wäre für sie jemand wie Alexander Graham Bell oder Thomas Alva Edison zu werden, die herausragenden Symbole damaliger Zeit. Die menschlichen Aktivitäten sind heutzutage dahingehend spezialisiert, daß das Erlangen des sozialen Erfolgs enorme Anstrengungen erfordert, Unmenge Zeit in Anspruch nimmt und allmählich zu einer gesonderten, selbstgenügenden Tätigkeits-Abart wird, die praktisch nicht mehr mit wirklichen Forschungsaktivitäten vereinbar ist.
Die fundamentale Ursache dafür liegt in der raschen Intensivierung der Kommunikationen wegen der Globalisierung. Demzufolge begeben Sie sich als Wissenschaftler entweder auf die Wahrheitssuche oder auf das pure Verbrauchen des von jemandem anderen gewonnenen Wissens um das Letztere in die materiellen bzw. sozialen Wertsachen umzuwandeln. Diese zwei Aktivitätsrichtungen unterscheiden sich voneinander, und zwar gewaltig – ja sie beide in der Praxis zu kombinieren fällt wirklich schwer: einige seltene Beispiele dafür bestätigen lediglich die Hauptregel.
Im Endeffekt schleicht sich da eine Absonderungsmodalität ein: manche Kollegen sind mit der tatsächlichen Forschung total beschäftigt, während die anderen nur auf ihren eigenen sozialen Erfolg pochen. Heutzutage bräuchte man für das Letztere sogar nicht das primitive, parasitäre Verbrauchen von dem von anderen gewonnenen Wissen, sondern ausschließlich die richtige soziale Kommunikation, sprich: die Fähigkeit, passende und zweckmäßig ausgewählte Gesellschaftskreise zu infiltrieren. Diese ständige, parasitenmäßige “Infiltrationsbereitschaft” hat seriöse Folgen für diejenigen, die ihr Leben freiwillig für solcherlei Aktivitäten verbrauchen möchten: deren Persönlichkeit verliert wichtige menschliche Qualitäten, die innewohnende menschliche Allgemeingültigkeit. Die ganze Persönlichkeitsstruktur von den “Infiltranten” ändert sich, und zwar sichtlich – weiter werden wir noch darüber diskutieren, wie ekelhaft die Formen sein können, die derartige Persönlichkeitstransformation annimmt und herbeiführt.
Hiermit möchten wir den Leser darauf aufmerksam machen, daß das Obengesagte die ganze Welt anbelangt. Wir werden nachfolgend doch Russland im Auge behalten, weil die russische Gesellschaft all die weltweiten Entwicklungsprozesse stets in einer äußerst akuten Form widerspiegelt. Wenn die ganze Welt lächelt, lachen wir, die Russen, höchstwahrscheinlich bis zum Umfallen. Wo sich die Welt nur erkältet, husten wir, die Russen, höchstwahrscheinlich Blut.
Eingeengtes Sichtfeld und Ideologisierung
Wir gehen davon aus, daß die Eliten in gutentwickelten Ländern im Großen und Ganzen an eine Art des Säufersyndroms “Tunnelblick” leiden: Wenn jemand etwa “blunzenfett” ist, nimmt er/sie nur einen kleinen Teil der Umgebung wahr, ohne all das Randständige zu bemerken. Außerdem werden Besoffene häufig überreaktiv – als Antwort auf oberflächliches, unschuldiges Anrühren sogar.
Das ergibt sich nicht nur wegen der Krise der jeweiligen administrativen Kreise bzw des demokratischen (im westlichen Sinne des Wortes) Systems als Ganzes, sondern in der ersten Linie durch wesentliche Verdrängung der eigentlichen Wissenschaft und Forschung in der gegenwärtigen Gesellschaft.
Die Wissensgewinnung/Wissensmanagement wurde an sich derart kompliziert und spezialisiert, daß sogar deren primitivsten Formen Riesenarbeitsaufwand mehrerer Kollegen erfordern. Dementsprechend werden die Wissenschaftler heutzutage immer vor unumgänglicher Wahl gestellt: entweder sie verbringen ihre Zeit bei der Jagd nachm sozialen Erfolg, oder sie sind der wahren Forschung hingegeben. Dies hat eine spürbare Differenzierung verursacht zwischen den wissenschaftlichen Administratoren, die die “Carte Blanche” zum Schalten und Walten in Sachen finanzieller Mittel und Forschungsprioritäten haben, und den eigentlichen Forschern, die unmittelbar an den konkreten Forschungsprojekten arbeiten.
So kommt es dazu, daß die wahre Forschungsarbeit, der kognitive Prozeß an sich, immer sozial unbedeutender wird, wobei Entscheidungsfindungen, Beschlußfassungen jedweder Art – und unter ihnen die lebenswichtige und zukunftsträchtige Entscheidungsfähigkeit auf dem Staatsniveau – ziemlich häufig realitätsfremd sind und von Emotionen, Vorurteilen usw usf angeleitet werden.
Nicht nur die Administrationskrise, sondern auch die Kognitionskrise
Auf der ganzen Welt ist die offizielle Wissenschaft zu einem komplizierten administrativen Organismus oder, man könnte sogar sagen, zu einem neuen Gesellschaftsgebilde geworden, das nicht viel weniger wichtig für die nationale Selbstidentifizierung wäre, als, zum Beispiel, die soziale Formation von französischen Bauern in den fünfzigern bis siebzigern Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts, aber auch nicht viel nützlicher. Oberflächlich zeigt es sich als das System von Forschungsbeihilfen (grants, die so gut wie einzige finanzielle Quelle für etwaige Forschungsprojekte), als allmähliches Ausklingen der Grundlagenforschung und als diverse Forschungsschwindel (die “Torsionsfelder”, “globale Erwärmung” usw usf).
Betrachtet man aber das obenerwähnte Gesellschaftsgebilde von mittendrin, so wäre es als einer Art “unsichtbare Barrikade” zu beschreiben. Einerseits treten die “Gutsherren”, “Plantagebesitzer”, “Latifundienoberhäupter”, die es aber vorziehen, als “Professoren” bzw “wissenschaftliche Gruppenleiter” angesprochen zu werden. Andererseits gibt es jede Menge freiwilliger Plantagensklaven (Knechte/Arbeitsesel/Arbeitstiere), die offiziell als “Doktoranden” bzw “Postdoktoranden” bezeichnet werden. Diese Sklaven sind verblüffenderweise freiwillig, weil niemand sie mit Waffengewalt zwingt, für den Plantagebesitzer zu schuften (solche Umstände hat aber John Locke bereits vor ca. 400 Jahren heftig kritisiert). Die Plantagebesitzer betrachten deren Knechte als eine Art “Schachfiguren”, die sich einer bestimmten Anzahl primitiver Spielregeln fügen müssen. Je nach der Persönlichkeit des Gutsherrn sieht das “Forschungslabor” der “Plantagensklaverei” mehr oder minder ähnlich aus, aber die Grundregeln bleiben dieselben in allen Ecken und Enden der Welt.
Manchmal erreicht die “offizielle Wissenschaft” äußerst widerliche Formen, die auf den ersten Blick mit dem demokratischen Staatsbildnis nichts zu tun haben. Ein kraßes Beispiel wäre eine Plantage in Deutschland, wo Chinesen, Thais und Russisch-sprechende die überwiegende Mehrheit der dortigen Sklaven ausmachen. Die Macht des dortigen Gutsherrn beruht auf einer ganz einfachen Tatsache: Die Sklaven wollen nicht zurück in ihre Ursprungsländer, aber sie dürfen nur befristete Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse bekommen. Freilich werden deren Erlaubnisse nur dann verlängert, wenn der offizielle Brief vom Gutsherrn vorliegt. Ein anderes Beispiel derselben Art wäre eine italienische Plantage, wo die russisch-sprechenden Knechte nebst ihrer Familien auf einer Insel eingesperrt werden. Es gibt dort einen russischen Aufseher, der Italienisch sprechen kann und für die Verteilung der “Aufwandsentschädigungen” (klägliche Almosen ohne soziale Sicherheit) unter den Arbeitseseln verantwortlich ist. Wiederum sind die Sklaven in diesen beiden Fällen weder beschwindelt noch verleitet. Sie wissen wohl, daß sie Sklaven sind, und werden tagtäglich mehrmals pro Tag daran erinnert, weil die Haltung von den Gutsherren und deren Gehilfen diesen Sklaven gegenüber ganz unmißverständlich ist. Außerdem pflegen die Gutsherren normalerweise verzweigte Beziehungen zu den “unterentwickelten” Ländern, um immer neue Sklavenscharen herbeizugaukeln, damit die Plantage ständig unter Dampf bleibt.
Mittlerweile haben es diejenigen jungen gebürtigen USA-Amerikaner, Westeuropäer, Japaner usw., die die Forschung vorantreiben wollen, gar nicht viel leichter als die obenbeschriebenen Sklaven. Falls Sie nicht zum “engen Kreise” gehören, haben Sie so gut wie keine Chance ein richtiges Mitglied der “akademischen Gesellschaft” zu werden. Das ultimative Maximum, das Sie von denen bekommen, wäre eine befristete Stelle bestückt mit dem Hungerlohn (seien Sie glücklich, falls für Sie mindestens die Sozialabgaben entrichtet werden, alles könnte mal auch ganz anders ausfallen). Aber wehe dem, der wagt, um Gottes Willen, dem Plantagebesitzer, dem “Big Brother” zu widersprechen ! Dann laufen Sie Gefahr, Ihre ganze Existenz zu verlieren. Weil wenn Sie Sich für einen anderen Arbeitsplatz bewerben, müssen Sie Ihr Arbeitszeugnis, ausgehändigt von Ihrem vorherigen Arbeitsgeber, sprich: Ihrem Gutsherrn, vorzeigen. Das stimmt, daß das deutsche Gesetz, zum Beispiel, untersagt, ausdrücklich schlechte Arbeitszeugnisse auszuhändigen. Aber es gibt auch stillschweigende Vereinbarungen darüber, wie man das schlechte Arbeitszeugnis schreibt, ohne gegen das Gesetz zu verstoßen (man benutzt einfach keine Superlative für Sie, zum Beispiel). Zudem gibts Telephon, E-Mail, SMS und viele andere Wege für vertrauliche Kommunikationen zwischen den Arbeitgebern.
Eingedenk all der obigen Tatsachen stellt sich die Frage, was für eine moralische Atmosphäre herrscht in der Nähe von der unsichtbaren Barrikade ? Missgunst, Schadenfreude und Mobbing werden Sie dort umgeben und begleiten. Falls Sie eine junge Frau und dabei für die Forschung interessiert sind, könnten Sie mal auch praktische Erfahrungen dazu sammeln, was “das Recht der ersten Nacht” bedeutet. Das übliche administrative Herangehen der Plantagebesitzer ist so alt wie der Mensch selbst: “divide et impera”, was im Klartext bedeutet so wenig wie “jeder verpetzt jeden”. Nur so kann der Sklave mit dem Rest der Plantage vereinbar werden. Dazu kommen noch die befristeten Arbeitsverträge/Hungerlöhne der Sklaven, wodurch diese außerstande sind, ein vernünftiges Lebensniveau zu erreichen, eine eigene Familie zu gründen und zu unterhalten usw usf. Somit entarten sich die Plantagensklaven zu “Desperados”, “Soldateska”, “Mankurten”, die auf die Eitelkeiten des Gutsherrn völlig eingestellt sind. Die einzige vage Perspektive für den Sklaven wäre, eines Tages die unsichtbare Barrikade zu überwinden und selber ein Gutsherr werden. Aber so was können Sie ruhig vergessen, wenn Ihre Eltern/Verwandten keine Verbindung zur “akademischen Welt” haben oder nicht deren fester Bestandteil sind. Andernfalls heißen Sie willkommen – der Gutsherr wird für Sie eine Schar von Arbeitstieren zusammentrommeln, die Ihre Doktorarbeit machen und zusammenschreiben werden, und nach Erlangen Ihres Doktorgrades werden Sie als “assistant professor” sofort ins Ausland geschickt, bestenfalls sogar zu einer berühmten Uni, wie Harvard, Yale, Cambridge, Oxford usw usf. Und in Paar Jährchen konnen Sie Sich in Ihrem Ursprungsland wieder einfinden und dürfen ein eigenes Latifundium aufbauen. Aber falls Sie kraft Ihrer Herkunft zum Plantagensklaven bestimmt sind und zufälligerweise den “heiligen Gral” betreten haben – wird Sie das “göttliche Feuer” zu Asche verbrennen. Damit ist gemeint, daß die “Gutsherrenassoziation” eher eine brutale Racketeerbande (insbesondere wenn sie riechen, das ihre Interessen gefährdet sind), als eine normale Gesellschaft wäre …
Einige von Ihnen werden wahrscheinlich sagen, “Naja, aber die Forschung an sich fasziniert mich so sehr – vielleicht wäre ich sogar bereit, diesen schrecklichen Preis abzuzahlen, nur damit ich mich an einer spannenden Forschungsarbeit beteiligen kann”. Dann werfen wir die folgenden Fragen auf: Sind Sie sicher, daß diese “offiziellen Wissenschaftler” etwaige wichtige und wesentliche Forschungsarbeit betreiben ? Gibt es irgendwelche Ergebnisse von den obenbeschriebenen Plantagen, die der Rede wert wären ? Die Antworten sind eindeutig: NEIN und NEIN. Der einzige Nutznießer von der ganzen Plantage ist der entsprechende Gutsherr, dessen einzige Gewinn ist sein/ihr sozialer Erfolg, den er/sie mit niemand, nie und nimmer teilen wird. Daher gibts in solchen Plantagen keine systematische Forschung, kein scharfgeschnittenes Forschungsprogramm (gesucht wird nur nach Themen, die zur Zeit als “modisch” gelten und somit das Geld bringen – heute kommt Dieses, morgen vielleicht Jenes) und folglich keine sinnvollen und nützlichen Ergebnisse. Es werden lediglich die Werte einiger formeller Parameter hartnäckig gesteigert, und zwar: die Anzahl/die Gesamtsumme der Beihilfen die dem Gutsherrn zuteil geworden sind; die Anzahl der Publikationen in “renommierten” Zeitschriften (mit hohem “impact factor”); die Anzahl der Zitierungen (der sogenannte “h-Index des Wissenschaftlers”); die Anzahl der Einladungen zu “keynote”-Reden auf internationalen Konferenzen; die Anzahl der Mitgliedschaften in Beiräten der wissenschaftlichen Media; die Anzahl der verteidigten Doktorarbeiten angeleitet von diesem “Doktorvater” (anders gefragt: Wie groß ist Ihre “wissenschaftliche Gruppe” ? Oder lieber so: Wie viele Knechte unterhalten Sie auf Ihrer Plantage ?) … Alles kommt ja so ziemlich langweilig vor, nicht wahr ?
… Kurz und gut, eine letzte (rhetorische) Frage: Haben all diese Gutsherren den von ihnen so angestrebten sozialen Erfolg, den sie so herrlich genießen, wirklich verdient ??? …
Heutzutage gibt es hauptsächlich drei Länder, die Wissenschaft und Forschung schwepunktmäßig finanziell unterstützen, weil so was eine globale Prestigesache ist: USA, Japan und Deutschland (das vierte Land war mal die ehemalige UdSSR gewesen, die ihre prächtige Forschungslandschaft aber aus ganz anderen Gründen am Leben ließ). Jüngst haben sich auch China, Indien und Saudi-Arabien als die “Forschungsmäzene” erwiesen. Die benannten Länder spenden feierlich tonnenweise Geld für Wissenschaft und Forschung. Auch andere gutentwickelte Länder bleiben dabei nicht zurück, sie spenden auch Geld, aber nicht in demselben Ausmaß. Mittlerweile wäre das einzige spürbare Ergebnis von all diesem Geldanlagesturm, daß die obenbeschriebenen Plantagen ständig an ihrem Gewicht zunehmen. Sind solcherlei Investitionen wirklich eine gute Idee ? Steigert die Anzahl des Gutsherren im Lande die internationale Prestige dieses Landes ? Und was kann man mit der Plantagensklavenschar anfangen ? Praktisch all die wissenschaftlichen Beiräte auf der ganzen Welt, die das Monopol darauf besitzen, die Gelder und Themen für alle möglichen Forschungsprojekte zu lenken, sind von den Plantagenbesitzern sehr stark infiltriert. Die meisten “wissenschaftlichen Regierungsberater” auf der Welt sind ja dieselben Gutsherren. Aber die Letzteren sind in der Regel keine richtigen Experten auf den Gebieten, die sie angeblich vertreten – sie sind lediglich die “hausgemachten PR-Profis”, die ausschließlich ihren eigenen sozialen Erfolg und gar nichts anderes im Sinn haben. Wäre es verantwortungsvoll, solchen Leuten lebenswichtige Entscheidungsfindungsaufgaben anzuvertrauen ?
Betrachten wir diese ganze Situation, so kommt die einzige medizinische Analogie in den Sinn: Proliferation der Krebszellen. Leiden unsere Gesellschaften an so was wie “soziale Krebskrankheit” ? Wenn schon, wäre das eine Sackgasse oder gibt es doch etwaige Genesungswege ?
Der richtige Forschungsvorhaben erfordert freiwilliges Übereinkommen unter freien Personen, die gemeinsam ein aktuelles, interessantes und wichtiges Problem lösen möchten. Solche Leute sollten zusammenkommen und eine harmonische Gruppe bilden, die auf den wohlbekannten demokratischen Prinzipien beruht. Jeder ist frei, die Gruppe zu verlassen oder zu wechseln, sobald er/sie nicht mehr von der Bedeutung des ausgewählten Problems bzw von dem Durchsatz seiner/ihrer Kollegen überzeugt wäre. Niemand darf etwaige soziale Nachteile erfahren, falls er/sie seine/ihre ursprüngliche Gruppe plötzlich aus einem triftigen Grunde verläßt. Und hier werden Sie sagen – tja, dieses Bild kommt mir irgendwie allzu idealistisch vor, so was wäre ja schier unmöglich … Leider Gottes müssen wir Ihnen Recht geben ! Aber dann sollten wir all solch bizarren Sachen wie Grundlagenforschung einfach vergessen, nicht wahr ?
A propos wird die Grundlagenforschung nie wieder zu Kräften kommen, falls man diese nur einmal ertrinken läßt bzw vulgarisiert. Zum Beispiel erfuhr die von Hitler wegen ihrer Schwerfälligkeit und Unvorhersagbarkeit erdrosselte Grundlagenforschung keine mehr Wiedergeburt in Deutschland der Nachkriegszeit. Nach Ableben der wenigen übriggebliebenen Kollegen aus der alten Wissenschaftlergarde der UdSSR (diese sind mit banalen Forschungsadministratoren nicht zu verwechseln !), wird die russische Wissenschaft auch sehr schnell zugrunde gehen. Es bleiben danach nur die Grundlagenforschung in den USA und einige wissenschaftliche Schulen in Großbritannien (wenn überhaupt – bei exponentieller Entwicklung der obenbeschriebenen Plantagensklaverei !). Das ist sicherlich nicht genug für den richtigen Fortschritt der Menschheit. Auch die globalen Monopole, die sich bei weitem nicht immer für den technologischen Fortschritt stark machen, könnten im Prinzip sehr wohl zur Vernichtung der Grundlagenforschung beitragen.
Der Wissenschaftstandort Deutschland hat bei alledem eigene, sehr spezifische Probleme. Hierzulande gehören praktisch alle, die professionell mit Forschung und Bildung zu tun haben, zum Beamtentum, und so haben sie all ihre Lebensprobleme gelöst und ihre Zukunft gesichert – sie ähneln sich der Brahminenkasta in Indien. Nur diejenigen, die den Professortitel tragen, dürfen in Deutschland als Experten etwaiger Art (bis hin zu Regierungsexperten) agieren. Somit bilden insbesondere in Deutschland die Professoren – sprich: die Plantagenbesitzer – eine supermächtige Lobby, die fest entschlossen ist, für den Erhalt ihres sozialen Erfolgsstatus nun wirklich alles zu machen. Das jüngste kraße Beispiel dazu wäre die ganze Geschichte um das mehrmalige Umkrempeln des Hochschulrahmengesetzes in den Jahren 2002-2007, die hierzulande einen mächtigen Braindrain ausgelöst hat. All diese Machenschaften kamen (zumindestens chronologisch) als die Antwort von der Gutsherrenlobby auf die kühnen und “ketzerischen” Gedanken von Frau Bulmahn, der ehemaligen Bundesministerin für Bildung und Forschung, die im Grunde genommen vorgeschlagen hatte, diese absolute, erstickende Plantagenbesitzermacht nur ein wenig einzuschränken ... So dürfte man sich doch nicht wundern, daß die Grundlagenforschung in Deutschland nicht mehr so richtig funktioniert, trotz all dem “Geldregen”.
Die Krise in der Wissenschaft und Forschung kaschiert in der Tat eine schreckliche Tatsache: Das Erkenntnis an sich hat aufgehört, die Hauptproduktivkraft zu sein.
Das schockiert, aber so ist es, leider Gottes.
Die Ursache ist sehr einfach und zugleich fundamental: mit der Globalisierung has sich die Menschheit darauf konzentriert, eher sich selbst (ihr Bewußtsein in erster Linie), als die Umgebung zu ändern. Ausgerechnet dieser Aspekt kann das wahre historische Kennzeichen der Globalisierung sein – und bei weitem nicht die SMS-Mitteilungen oder Pornoseiten.
Je weniger unsere Welt zum Studienobjekt wird, desto mehr übernimmt das menschliche Bewußtsein diese Rolle. Dementsprechend befaßt sich die Industrie immer weniger mit der Produktion von Sachgütern (oder, als Übergangsstufe, Dienstleistungen) – dafür werden eher bestimmte, mehr oder weniger vorgezeichnete Zustände des menschlichen Bewußtseins produziert.
Um die Welt zu ändern (zusammen mit ihrer sozialen Komponente) soll man sie erst erkennen – und die Wissenschaft, die uns dabei immer sehr behilflich war, stellte eines der wichtigsten Instrumente der Menschheit dar.
Aber das, was heutzutage geändert wird, wäre nicht mehr die ganze Welt, sondern ihr relativ kleiner (und bei weitem nicht der universelle) Teil – der Mensch an sich. Darüber hinaus haben diese Änderungen nicht mit dem Mensch im Großen und Ganzen zu tun, sondern lediglich mit seinem Bewußtsein. Folglich wird eine der wichtigsten menschlichen Tätigkeitskategorien, die früher den Umgebungsstudien gewidmet war, von einer ziemlich kleinen Gruppe erobert, die nur das menschliche Bewußtsein und damit verbundene Aktivitäten studieren. Wegen der Spezifität des Themas (Das Studieninstrument wird nun zum Studienobjekt – das menschliche Bewußtsein) gibt es in dieser Gruppe nicht sehr viel Wissenschaftler: solche Leute sind meistenteils enge Praktiker, die lediglich auf die Lösung der bestimmten einzelnen Probleme aus sind.
Die lange Rede, der kurze Sinn – wir sind wahrscheinlich die Zeugen des Untergangs der wissenschaftlich-technischen Revolution, die in den fünfzigern Jahren unsere Welt radikal verändert hat, und dazu noch steiler Abbremsung des Fortschrittes menschlicher Fähigkeiten.
All das könnte im Prinzip als der Aufweis des kollektiven menschlichen Selbstschutzes gelten: die menschlichen Fähigkeiten zur Weltveränderung haben das entsprechende Ergründungsvermögen sehr weit überholt – so daß es vielleicht nun wirklich an der Zeit wäre, nur noch zu singen “have a break, have a Kit Kat”.
Ohne Zweifel wird die Menschheit ihre kognitive Instrumente irgendwann künftig noch wiederaufarbeiten. Aber wie es heute aussieht, scheint dies doch kein linearer, kein schmerzloser Prozeß zu werden, so daß wir schon einiges überstehen müssen, bevor sich die Tendenz so richtig entwickelt.
Obwohl die neuen Erkenntnistechnologien ihrerzeit die Gesamtsituation sicherlich verbessern werden, scheinen wir gegenwärtig ins neue Mittelalter, in die neue barbarische Ära zu steuern, wobei der soziale Erfolg – und somit die unlimative Machtlizenz – stets in die falschen Hände von Kleingeistern geraten, die jedwedes Wissen konsequent hintanstellen und verabsäumen.
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